Open-Source-Sprachmodelle bieten neue Perspektiven für die klinische Praxis
PRESSEMITTEILUNG der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Nr. 30/2025
Magdeburg, 15. Mai 2025
Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und der Charité - Universitätsmedizin Berlin hat in einer aktuellen Studie, veröffentlicht im renommierten Fachjournal Nature Medicine, nachgewiesen, dass frei verfügbare Sprachmodelle eine leistungsfähige und datenschutzfreundliche Alternative zu kommerziellen Systemen im medizinischen Umfeld darstellen.
Große Sprachmodelle (engl. Large Language Models - LLMs) wie ChatGPT, Gemini oder Claude beeinflussen zunehmend unseren Alltag - sei es beim Verfassen von Texten, Programmieren oder als digitale Assistenten. Ihr Potenzial reicht jedoch weit über diese Bereiche hinaus: Im medizinischen Kontext können sie etwa Befunde, Arztbriefe oder Gesprächsdokumentationen analysieren, relevante Inhalte extrahieren und strukturiert aufbereiten. So unterstützen sie nicht nur die Dokumentation, sondern auch fundierte klinische Entscheidungen.
Datenschutz bleibt eine Hürde für kommerzielle Modelle
Der Einsatz solcher KI-Technologien in der Klinik scheitert bislang häufig an strengen Vorgaben in Bezug auf Datenschutz und Medizinprodukte. Viele der leistungsstärksten Modelle - darunter GPT-4o von OpenAI oder Gemini von Google - laufen auf externen Cloud-Infrastrukturen und werden von kommerziellen Anbietern betrieben. Für den Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten ist das problematisch: In zahlreichen medizinischen Einrichtungen ist die Nutzung solcher Dienste aus datenschutzrechtlichen Gründen untersagt, was ihre klinische Anwendung erheblich einschränkt.
Open Source als datenschutzkonforme Alternative
Unter der Leitung von Prof. Dr. med. Julian Varghese, Leiter des Instituts für Medical Data Science an der Universitätsmedizin Magdeburg und Prof. Dr. Roland Eils, Charité - Universitätsmedizin Berlin, wurde nun gezeigt, dass Open-Source-Sprachmodelle eine vielversprechende und sichere Alternative bieten. Die Studie überprüft die medizinische Leistungsfähigkeit der frei zugänglichen Modelle DeepSeek-V3 und DeepSeek-R1 anhand von 125 standardisierten Patientenfällen. Diese deckten sowohl häufige als auch seltene Krankheitsbilder verschiedenster Fachrichtungen ab. Die Sprachmodelle wurden dazu genutzt, die Fallbeschreibungen zu analysieren, Diagnosen zu stellen und Therapieoptionen vorzuschlagen. Die Ergebnisse wurden anschließend mit denen etablierter kommerzieller Systeme verglichen.
Ergebnisse auf Augenhöhe - teils sogar überlegen
Die Analyse ergab: Die getesteten Open-Source-Modelle lieferten in vielen Fällen gleichwertige, teilweise sogar überlegene Ergebnisse im Vergleich zu ihren marktführenden kommerziellen Pendants. Ein weiterer Vorteil: Sie können direkt in der gesicherten IT-Infrastruktur von Kliniken betrieben und mit qualitätsgesichertem medizinischem Wissen weiterentwickelt werden - ein zentraler Aspekt für ihre klinische Nutzbarkeit.
Praktische Anwendung an der Universitätsmedizin Magdeburg
An der Universitätsmedizin Magdeburg wird die Integration bereits aktiv vorangetrieben. Das Institut für Medical Data Science stellt den Mitarbeitenden seit drei Monaten eine interne Plattform zur datenschutz- und informationssicherheitskonformen Nutzung von LLMs zur Verfügung. Entwickelt und betrieben wird diese am Institut vom Datenintegrationszentrum (DIZ) unter der Leitung von Dr. Tim Herrmann (operative Leitung) und Dr. Christian Bruns (wissenschaftliche Leitung). Die KI-Plattform wird durch das Team des DIZ-Forschungsdatenmanagements unter der Leitung von Dr. Aliće Grünig betreut und bereits intensiv von 330 Personen der UMMD genutzt - eine erste Evaluation zur Nutzerakzeptanz ist in Vorbereitung.
Als nächster Schritt sollen konkrete Anwendungsfälle in der medizinischen Dokumentation und Entscheidungsunterstützung pilotiert werden. Unter Einhaltung regulatorischer Vorgaben und begleitet von einem strengen Qualitätsmanagement können LLMs künftig dazu beitragen, klinische Prozesse effizienter zu gestalten und komplexe medizinische Informationen schneller verfügbar zu machen - zum Vorteil von Fachpersonal und Patient:innen gleichermaßen.
Originalveröffentlichung im Fachjournal Nature Medicine: https://www.nature.com/articles/s41591-025-03727-2
Anmeldung KI-Plattform: https://wms.diz-ag.med.ovgu.de/fdmhome/antragsformular-diz-ki-plattform-251453694.html
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. med. Julian Varghese, Direktor am Institut für Medical Data Science der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
julian.varghese@med.ovgu.de
Tel.: 0391-67-13535
Dr. Aliće Grünig, Koordinatorin des Forschungsdatenmanagements am Datenintegrationszentrum
alice.gruenig@med.ovgu.de
Tel.: 0391-67-13508
Foto: v.l.: Prof Dr. Julian Varghese, PD Dr. Sarah Sandmann und Dr. Tim Herrmann vom Institut für Medical Data Science_Foto: Stefan Krötki_UMMD