Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik

Sucht und Abhängigkeitserkrankungen sind gesellschaftliche Probleme, die im Interesse der
betroffenen Menschen ein Zusammenwirken aller Kräfte erfordern. Mit der, auf Initiative der
Drogenbeauftragten vorgelegten "Nationalen Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik" wird der
"Aktionsplan Drogen und Sucht" aus dem Jahr 2003 abgelöst. Die Strategie beschreibt die
übergreifende nationale Ausrichtung der Drogen- und Suchtpolitik für die nächsten Jahre in
Deutschland. 


Das Leitmotiv der Nationalen Strategie ist: "Der Mensch im Mittelpunkt". Die Strategie stellt den
abhängigen Menschen mit seinen individuellen Bedürfnissen in den Mittelpunkt, nicht den
einzelnen Suchtstoff.
Die Nationale Strategie ist in ihrer Zielsetzung und in ihrem Vorhaben Teil der derzeit in Vorbereitung befindlichen allgemeinen Präventionsstrategie der Bundesregierung. Beide Strategien
betonen die zentrale Bedeutung der Gesundheitsförderung und Prävention in der
Gesundheitspolitik. 

 
Die Drogen- und Suchtpolitik steht vor neuen Herausforderungen. Dazu zählen unter anderem
der demographische Wandel, der gesellschaftliche Umbruch, alte und neue Suchtformen und
entsprechende Konsumtrends. Stärker als bisher muss nicht nur die Abhängigkeit in den Blick
genommen werden, sondern auch riskantes Konsumverhalten und gesundheitsschädliches
Verhalten, auch wenn es nicht zwingend zu einer Abhängigkeit führt.
Das in Deutschland bestehende System der Prävention und Suchthilfe bietet gute Voraussetzungen, um den neuen Herausforderungen zu begegnen. Es gibt in einigen Bereichen
Optimierungsbedarf, in anderen müssen die bisherigen erfolgreichen Ansätze kontinuierlich
fortgesetzt werden, in einigen sind neue Schwerpunktsetzungen erforderlich.
Die Strategie legt im ersten Teil die aktuellen suchtpolitischen Herausforderungen dar und zeigt
die Eckpunkte zur Ausgestaltung der Drogen- und Suchtpolitik auf. In einem zweiten Teil
werden anhand wesentlicher Suchtstoffe und stoffunabhängiger Suchtformen konkrete Ziele
beispielhaft aufgeführt und mit Maßnahmen unterlegt.


1. Teil: Herausforderungen und Eckpunkte
Demographische und gesellschaftliche Entwicklungen
Demographische und gesellschaftliche Entwicklungen führen dazu, dass die Bedeutung von
Suchterkrankungen im Alter zunimmt. Veränderte Formen des Zusammenlebens und eine
Vereinzelung des Menschen führen zum Verlust von Sicherheit, zu Überforderung und
Überlastung, die teilweise mit einem problematischen Konsumverhalten ausgeglichen werden.
Neue Suchtformen, Trends und Konsummuster 


In den letzten Jahren haben sich die Verhaltensmuster beim Suchtmittelkonsum verschoben.
Riskante Konsumformen, Mischkonsum aber auch das Auftauchen neuer synthetischer
Substanzen (sog. "legal highs") machen neue Ansätze in der Drogen- und Suchtpolitik
notwendig. 

 
Auch die Entwicklung hin zur Wissensgesellschaft und die verbreitete Nutzung digitaler Medien
stellt die Suchtpolitik vor neue Herausforderungen. Das Internet bietet einerseits eine Vielzahl
von Möglichkeiten im Bereich der Prävention, beispielsweise um Betroffene frühzeitig zu
erreichen. Andererseits führt die Nutzung von Computer und Internet bei einem Teil der Nutzer
zunehmend zu einem exzessiven Gebrauch und in extremen Fällen zum Verlust der
Selbstkontrolle bis hin zu einem Abhängigkeitsverhalten.
Prävention auf Risikogruppen ausrichten
Prävention und Gesundheitsförderung stehen im Vordergrund einer modernen Drogen- und
Suchtpolitik. Sie sind der wesentliche Ansatz für die Stärkung der Selbstkompetenz, um das
eigene Leben verantwortlich gestalten zu können. Prävention muss zielgenauer werden und
sich mehr auf Risikogruppen fokussieren. Stärker als bisher muss der Schwerpunkt auf den
Gefahren der Suchtentstehung, auf riskanten Konsummustern und der Entwicklung von
Kompetenzen im Umgang mit den Risiken liegen.
Frühintervention ausbauen
In Deutschland stehen für Suchtkranke vielfältige Hilfsangebote zur Verfügung. Es bestehen
jedoch Defizite in der Inanspruchnahme dieser Angebote. Zu wenige Menschen werden
rechtzeitig erreicht. Die Frühintervention, besonders im Bereich der ärztlichen Behandlung,
muss ausgebaut werden. 


Mehr Menschen vor Ort erreichen – Betriebliche Suchtprävention ausbauen
Ein wichtiger Ort, an dem Menschen verschiedener Altersgruppen und Schichten für ein stärker
gesundheitsförderliches Verhalten erreicht werden können, ist der Arbeitsplatz. Wir müssen die
betriebliche Suchtprävention ausbauen und mit unseren Maßnahmen in die Betriebe gehen.
Professionelle Zusammenarbeit stärken - Netzwerke bilden
Das Drogen- und Suchthilfesystem ist in Deutschland weitgehend subsidiär aufgebaut und auf
unterschiedliche Zuständigkeiten verteilt. Verschiedene und teilweise voneinander getrennt
agierende Hilfe- und Beratungsangebote in der Suchthilfe, Jugendhilfe, Schule, Sozial- und
Arbeitsverwaltung und im Gesundheitssystem arbeiten zu häufig neben- statt miteinander. Wir
müssen daher die professionelle Zusammenarbeit an den Schnittstellen stärken und Netzwerke
bilden, damit kein Suchtkranker auf dem Weg verloren geht.
Geschlechtersensibilität durchgehend verankern
Nach wie vor bestehen bei Suchterkrankungen große Unterschiede zwischen den
Geschlechtern. Die spezifischen Gründe weiblichen und männlichen Suchtverhaltens sowie
deren Verlauf und Ursachen müssen in der Suchtprävention gesondert betrachtet werden.
Eine wichtige Zielgruppe in der Prävention sind Schwangere und deren Konsumverhalten. Die
Strategie setzt darauf, gezielt diejenigen zu erreichen, bei denen ein problematischer Konsum
zu befürchten ist.
Forschung gezielt ausrichten, Maßnahmen evaluieren
Insbesondere die anwendungsbezogene Forschung muss im Suchtbereich weiter verstärkt
werden, um die Wirksamkeit drogen- und suchtpolitischer Konzepte und Initiativen durch
evidenzbasierte und evaluierte Maßnahmen zu erhöhen. Forschung muss sich auch neuer
Erkrankungen, wie der Onlinespielsucht und der neu auftauchenden psychoaktiven Substanzen
annehmen.
Alle Ansätze in der Prävention, Suchthilfe, Schadensminimierung und Repression zur
Verringerung des Drogen- und Suchtmittelkonsums müssen wirksam sein und sind auf ihre
Wirkung und Relevanz zu prüfen. Dies gilt in besonderem Maße in Zeiten knapper Finanzen,
um die vorhandenen Mittel möglichst zielgerichtet einsetzen zu können.
Passgenaue Beratung und Behandlung
Ratsuchende und Suchtkranke haben einen Anspruch darauf, die für sie maßgeschneiderten
Hilfen zu erhalten. Dies gilt z.B. für Menschen mit Migrationshintergrund ebenso wie für
Alleinerziehende mit Kindern, Ältere oder Behinderte.


2. Teil: Beispiele: konkrete Ziele und Maßnahmen
• Alkohol:
- Stärkung der Elternkompetenz beim Alkoholkonsum von Jugendlichen.
- Ausbau erfolgreicher Maßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
(BZgA) wie "Alkohol-Kenn dein Limit".
- Stärkung der Frühintervention durch Ärzte und medizinisches Personal.
- Projekte zur Alkoholprävention in Betrieben.
- Förderung der Punktnüchternheit in der Schwangerschaft und Stillzeit.
• Tabak:
- Ausbau der Beratungsangebote in Gesundheitsberufen durch Aus- und Fortbildungs-
angebote zum Nichtrauchen.
- Prüfung der Verbesserung der ärztlichen Behandlung zur Tabakentwöhnung schwer-
kranker Raucher und Raucherinnen.
• Medikamentenabhängigkeit:
- Aufarbeitung des Medikamentenmissbrauchs zur kognitiven Leistungssteigerung und zur
Verbesserung des psychischen Wohlbefindens.
• Glücksspiel:
- Stärkung des Spieler- und Jugendschutzes sowie der Prävention der Glücksspielsucht bei
der Novellierung der Spielverordnung (technische und spielerbezogene Maßnahmen).
• Onlinesucht:
- Verbesserung der Datenlage zum kritischen oder abhängigen Onlinegebrauch.
- Stärkung der Medienkompetenz bei Jugendlichen, Unterstützungsangebote für Eltern und
Lehrer.
• Illegale Drogen:
- Prävention und Aufklärung zu neuen synthetischen Drogen, wie sog. "legal highs".
- Gezielte Präventionsangebote für junge Partygänger und zum riskanten Mischkonsum.