Im Jahr 2020 gibt es 7.000 Hausärzte weniger

Berlin, 3. September 2010 – Die Lücken in der ambulanten und stationären ärztlichen Versorgung werden immer größer, obwohl es mittlerweile diverse Maßnahmen gibt, um den Ärztemangel in Deutschland zu bekämpfen. Das geht aus der neuen Arztzahlstudie hervor, die die Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) heute in Berlin präsentiert haben. Demnach müssen bis zum Jahr 2020 allein im ambulanten Bereich 51.774 Ärzte ersetzt werden, darunter 23.768 Hausärzte. Diese Prognose ergibt sich unter anderem aus dem Durchschnittsalter der Ärzte, das im Erhebungsjahr 2009 bei 51,92 Jahren lag.
"Stellt man der Zahl der Abgänge die voraussichtlichen Zugänge bis zum Jahr 2020 gegenüber, so wird es dann in Deutschland knapp 7.000 Hausärzte weniger geben als bisher. Diese Zahl ist alarmierend", betonte Dr. Andreas Köhler, Vorstandsvorsitzender der KBV. Schon im Jahr 2009 fehlten beispielsweise allein in Sachsen-Anhalt 133 Hausärzte, in Niedersachsen 219.
"Kaum jemand bestreitet noch, dass wir uns auf dem Weg in eine Wartelistenmedizin befinden. Es gibt eine fortschreitende Ausdünnung der ambulanten Versorgung in der Fläche und wachsende Zugangsprobleme zu manchen hoch spezialisierten Versorgungs-angeboten", sagte der Vize-Präsident der BÄK, Dr. Frank Ulrich Montgomery. Schon jetzt seien in den Kliniken 5.000 Stellen unbesetzt. Die angespannte Personalsituation werde sich weiter verschärfen. In zehn Jahren gingen fast 20.000 Ober- und Chefärzte altersbedingt in den Ruhestand.
Die Probleme beginnen bereits im Studium. Auf die rund 10.000 freien Medizinstudienplätze in Deutschland haben sich im vergangenen Jahr etwa 50.000 Abiturienten beworben. Im Jahr 2008 gab es insgesamt

76.042 Medizinstudenten, über 60 Prozent von ihnen waren weiblich. Doch längst nicht alle bringen ihr Studium zu Ende. In den Jahren 2003 bis 2008 haben von 61.511 Studienanfängern 10.996 (17,9 Prozent) ihr Studium nicht abgeschlossen. "Somit hat in sechs Jahren etwas mehr als ein Anfängerjahrgang das Studienziel Arzt nicht erreicht", so Köhler. Doch auch nicht alle Absolventen melden sich bei einer deutschen Ärztekammer: Im genannten Zeitraum sind der medizinischen Versorgung in Deutschland insgesamt 5.854 Absolventen (11,6 Prozent) verloren gegangen. Sie arbeiten entweder nicht als Arzt oder sind direkt nach dem Studium ins Ausland gegangen. "Das kann auch an der fehlenden Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Arztberuf liegen. Daran müssen wir arbeiten", forderte Köhler.
"Die Zahlen belegen: Die Medizin wird weiblich. Und das tut ihr gut. Wir müssen uns allerdings darauf einstellen, dass Frauen oftmals andere Lebensperspektiven haben als Männer", sagte Montgomery. Sie stellten sich intensiver familiären Aufgaben. Das bedinge, dass sie weniger Arbeit pro Zeiteinheit zur Verfügung stellen könnten. Vor diesem Hintergrund bedeute der Anstieg des Frauenanteils in der Ärzteschaft von 33,6 Prozent im Jahr 1991 auf 42,2 Prozent im Jahr 2009 eine gewaltige Veränderung von zur Verfügung gestelltem Arbeitsvolumen.
Ein weiteres Problem für die Versorgung in Deutschland stellt die Abwanderung von Ärzten ins Ausland dar. Allein im Jahr 2009 wanderten 2.486 deutsche Mediziner aus. Insgesamt sind gegenwärtig rund 17.000 deutsche Ärzte im inner- und außereuropäischen Ausland tätig. "Diese Mediziner fehlen uns hier. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Arbeitsbedingungen für Ärzte in Deutschland attraktiver werden", so Köhler.
"Ärztliche Arbeit muss sich lohnen – privat und finanziell. Es geht um die Motivation einer ganzen Generation nachwachsender Ärztinnen und Ärzte. Eine Gesellschaft des langen Lebens braucht Ärztinnen und Ärzte in Klinik und Praxis und nicht in anderen Berufsfeldern, sonst bricht die gesundheitliche Versorgung in Deutschland ein", sagte Montgomery.